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Personalwirtschaft in Argentinien: Chancen für deutsche Anbieter

21.12.2020

Bereits vor COVID-19 war deutlich, dass das Gros der aktuellen Arbeitsplätze sowie die bestehenden Aus- und Weiterbildungsformen (noch) zu wenig ausgerichtet sind auf die Arbeit der Zukunft. Die Pandemie hat auch in diesem Bereich als „Beschleuniger“ gewirkt und binnen weniger Monate zu Anpassungen im Personalmanagement der Unternehmen geführt: Digitale Kommunikation, agile Management-Methoden und innovative Technologien gewinnen rapide an Relevanz in Unternehmen, quasi unabhängig von Größe, Branche oder Standort. Gleichwohl sind es vor allem die kleinen, oft Familien-geführten Betriebe, die Unterstützung bei den erforderlichen Veränderungsprozessen im Bereich Personal benötigen.

In Argentinien ist die Situation hinsichtlich des Themas Arbeit komplex und bedarf einer differenzierten Betrachtung, um die Geschäftsmöglichkeiten im Bereich Personalwirtschaft für deutsche Anbieter zu verdeutlichen:

Einerseits ist der informelle Sektor in Argentinien, ähnlich anderer Entwicklungs- und Schwellenländer, mit 40-50% sehr hoch. Die Arbeitslosenquote lag im dritten Quartal 2020 bei 11,7% und die Jugendarbeitslosigkeit erreichte 2020 unter Männern zwischen 14 und 29 Jahren 22,7%, unter Frauen im gleichen Alterssegment sogar 28,5%. Die anhaltende Rezession, die COVID-bedingte Verschlechterung der gesamtwirtschaftlichen Lage sowie der bereits seit geraumer Zeit bestehende Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften, bringt vor allem die lokalen klein- und mittelständischen Betriebe in eine existenzbedrohende Situation, die ein auf die Zukunft ausgerichtetes Personalmanagement erschwert. Laut Observatorio Pyme, ein auf KMU spezialisierter argentinischer Think Tank, hatten bereits 2019 über 75% der lokalen KMU Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von technischen Profilen. Die Tatsache, dass in Argentinien sieben von zehn Arbeitsplätzen vom Mittelstand geschaffen werden, macht das Ausmaß der Problematik umso sichtbarer.

Andererseits ist die Bevölkerung Argentiniens recht jung, 15,5% der Bevölkerung sind zwischen 15 und 24 Jahre alt. Zum Vergleich: In Deutschland entspricht dies 10,3% der Bevölkerung, der EU-Durchschnitt weicht mit 10,6% nicht erheblich vom deutschen ab. Argentinien ist darüber hinaus das Land mit dem höchsten Digitalisierungsgrad in Lateinamerika und besticht auch durch seine enorme Fläche. Das südlichste Land Lateinamerikas ist das achtgrößte Land der Erde und somit sehr interessant beispielsweise für Anbieter digitaler Lösungen im Bereich Virtuelle Realität.

Auf einem Arbeitsmarkt mit einem geringen Angebot an qualifizierten Arbeitskräften konkurrieren kleinere Unternehmen mit großen Unternehmen, die einen beträchtlichen Teil dieses Angebots anziehen. Darüber hinaus wird digitale Rekrutierung und plattformübergreifende Integration immer wichtiger. Gerade im Bereich Rekrutierung haben viele argentinische Unternehmen bereits erkannt, wie wichtig es ist, vor allem für Berufseinsteiger attraktiv zu sein und sich so die Talente von Morgen zu sichern und ans Unternehmen zu binden. Es mag paradox klingen, aber in digitalen Zeiten ist das menschliche Talent der wertvollste Input für Organisationen.

In diesem Zusammenhang sprach Prof. Dr. Gunther Olesch, als Geschäftsführer von Phoenix Contact unter anderem verantwortlich für den Bereich Personal, im Rahmen seines Besuchs in der argentinischen Niederlassung von der Notwendigkeit, „das Unternehmen als Arbeitgebermarke zu positionieren“. Die sinkende Verfügbarkeit gut ausgebildeter Fachkräfte intensiviert den „Kampf um Talente“. Langfristig können in diesem Wettbewerb nur Firmen bestehen, die sich dem knappen Angebot an Talenten gegenüber als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren verstehen. Gerade bei den argentinischen KMU besteht bezüglich des Aspekts der „Markenpositionierung als Arbeitgeber“ ebenso Sensibilisierungsbedarf, wie hinsichtlich der Implementierung moderner Technologien und Arbeitszeitmodelle, die eine vorteilhafte Position als Arbeitgeber am Fachkräftemarkt auch langfristig aufrechterhält. Dieses Segment ist für deutsche Unternehmen in Beratungsfunktionen besonders interessant. Diverse deutsche Unternehmen des Mittelstandes liegen als sogenannte „Hidden Champions“ bei Arbeitgeber-Rankings weit oben.

In Argentinien werden nicht nur im Rahmen der Personalrekrutierung, sondern auch in der Begleitung des Personals, bei Zielfestlegungen und Leistungsbewertung oder zum Team Building, Lösungen und Technologien wie beispielsweise neue Schulungsformate und -programme, Plattformen oder andere virtuelle Tools für innerbetriebliche Weiterbildungsangebote gesucht. Hier eröffnen sich deutschen Anbietern interessante Geschäftschancen.

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Julieta Barra | jbarra(at)ahkargentina.com.ar