Der Gesundheits- und Pharmasektor hat in der durch COVID-19 ausgelösten weltweiten Pandemie große Aufmerksamkeit erhalten. In Argentinien steht hinter diesem Sektor eine der wichtigsten Industrien des Landes.
Einer der Sektoren, der in der durch COVID-19 ausgelösten weltweiten Pandemie am meisten Aufmerksamkeit erhalten hat, ist der Gesundheits- und Pharmasektor. In Argentinien steht hinter dieser Branche eine der wichtigsten Industrien des Landes mit einem Anteil von knapp 5 % am nationalen BIP. Der Umsatz im Jahr 2019 belief sich auf etwa 5 Mrd. USD, was einem Anstieg von rund 12 % zum Vorjahr entspricht. Die pharmazeutische Industrie ist hinsichtlich ihrer industriellen Wertschöpfung nach der Erdölraffination und dem Eisen- und Stahlsektor der drittwichtigste Industriesektor. Darüber hinaus ist Argentinien mit gut 10 % am gesamten lateinamerikanischen Markt und 0,3 % am Weltmarkt beteiligt. Erwähnenswert ist der nationale Charakter des hiesigen Industriesektors, mehr als die Hälfte der Medikamentenproduktion geht aus argentinischem Kapital hervor.
Aufgrund der beträchtlichen Abhängigkeit von externen Märkten weist die Pharmaindustrie eine defizitäre Handelsbilanz auf. Insbesondere die multinationalen Laboratorien importieren laut der Industriekammer der Argentinischen Pharmazeutischen Laboratorien vermehrt auch Inhalts- und Wirkstoffe. In den letzten Jahren hat zudem der Anteil der Importe an den Gesamtverkäufen auf dem Inlandsmarkt stark zugenommen und lag laut argentinischem Statistikinstitut im ersten Quartal des Jahres bei knapp 30 %. Die argentinischen Unternehmen importieren hauptsächlich Medikamente mit Enzymen, Verhütungsmittel, Medikamente mit Insulin und Blutfraktionen wie Plasma oder Blutplättchen. Hauptlieferanten der Rohstoffe sind Indien, Deutschland und die USA.
Argentinien zeichnet sich besonders durch seine gut ausgebildeten Fachkräfte aus, die gerade in der Forschung sehr stark sind. Die Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) sind bemerkenswert. Die Argentinische Kammer der medizinischen Fachberufe berichtete von der Führungsposition des pharmazeutischen Sektors bezüglich Investitionen in F&E, mit einem Anteil von 27 % an den Gesamtinvestitionen im Land. Die Unternehmen investierten über 276 Mio. USD jährlich in die klinische Forschung.
Trotz der hohen Investitionen in F&E fehlt es an Technologien und IKT-Anwendungen, um wichtige Weltmärkte zu erschließen. Unternehmen, die entsprechende Technologien sowohl für Produkte als auch für Verfahren anbieten, haben in Argentinien Aussicht auf Geschäftsmöglichkeiten.
Das Bild auf die Branche trübt sich allerdings mit einem Blick auf die Geistigen Eigentumsrechte in Argentinien: Das Land steht im International Property Rights Index von 2019 auf Platz 82 von 129 Ländern. Darüber hinaus hat sich Argentinien dem Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT), dem mehr als 150 Länder beigetreten sind, nicht angeschlossen. Schlüsselaspekte, die die Möglichkeit des Schutzes von Erfindungen in Argentinien aktuell einschränken, sind restriktive Kriterien für die Patentierbarkeit, allgemein schwache Patent-Durchsetzungen, Verzögerungen bei der Erlangung von Patenten und Versäumnisse bei den Datenschutzbestimmungen.
Die Rolle der Industrie in der Hoffnung auf einen Impfstoff
Die pharmazeutischen Laboratorien wurden rasch nach Implementierung der Ausgangssperre als „systemrelevant“ erklärt, und waren somit vor die Herausforderung gestellt, ihren Betrieb an die Covid-Protokolle anzupassen, die Versorgung mit Rohstoffen und den Transport ihres Personals sicherzustellen und die industriellen Hygienemaßnahmen angemessen zu verstärken. Die Laboratorien haben die Produktion während der Ausgangssperre nicht eingeschränkt und sind (angesichts der Lähmung der Automobilindustrie) im Mai 2020 hinsichtlich der Auslastung der installierten Industriekapazität an die erste Stelle gerückt. Allerdings kosten die Primärinputs heute doppelt oder dreimal so viel wie vor Ausbruch des Coronavirus und es besteht nach wie vor die Ungewissheit über mögliche Einschränkungen der Lieferketten.
Hoffnungsvoll stimmte den Sektor die jüngste Ankündigung der Regierung über das Abkommen zwischen dem britisch-schwedischem Konzern AstraZeneca und dem argentinischen Biotechnologieunternehmens mAbxience zur Herstellung eines potenziellen Covid-19-Impfstoffs. Das Unternehmen mAbxience wurde unter anderem aufgrund seiner Produktionskapazitäten, seinen herausragenden Fachkräften und der adäquaten Infrastruktur gemäß internationalen Qualitätsstandards ausgewählt.
Argentinien führt des Weiteren auch Tests für den Covid-19-Impfstoff des amerikanischen Konzern Pfizer und dem deutschen Unternehmen Biontech durch und hat mit sich mit dem chinesischen Unternehmen SinoPharm über die Realisierung von klinischen Tests für einen weiteren Impfstoff geeinigt. Zu guter Letzt steht außerdem der Pharmakonzern Janssen vom Unternehmen Johnson & Johnson in den Startlöchern, um seinen Corona-Impfstoff nach erfolgter Genehmigung durch die argentinische Aufsichtsbehörde ANMAT in Argentinien zu testen.
Anna Billharz
abillharz@ahkargentina.com.ar