Argentinien verfügt über die natürlichen und Humanressourcen, um Deutschlands idealer Partner bei der Energiewende zu sein. Weitere Anstrengungen sind notwendig, um die entsprechenden Allianzen für die Umsetzung der laufenden Projekte sowie neue Kooperationsmöglichkeiten zu schaffen.
Die Nachricht vom Attentat auf Argentiniens Vizepräsidentin Cristina Fernandez de Kirchner am vergangenen 1. September ging um die Welt. Es ist noch zu früh, um die politischen Auswirkungen dieses Vorfalls zu beurteilen, der weiterhin von der Justiz untersucht wird. Er ist aber sicherlich ein weiteres Indiz für die prekäre Situation, in der sich die Regierung befindet. Nach dem Rücktritt mehrerer Minister Mitte 2022 wurde kürzlich eine Kabinettsumbildung vorgenommen und vorher getrennte Ressorts zusammengelegt. Das Wirtschaftsministerium ist seit Ende Juli außer für die Bereiche Finanzen und Energie nun zusätzlich für Landwirtschaft und Produktionsentwicklung zuständig. Neuer Wirtschaftsminister ist der bisherige Präsident des Abgeordnetenhauses Sergio Massa.
Das wichtigste Ziel dieser Maßnahme ist, dem Wirtschaftsteam ein größeres politisches Gewicht zu verleihen, um die akute Finanzkrise zu bekämpfen. Die Fusion soll eine stärkere Kohäsion bei der Entscheidungsfindung herbeiführen, um das wirtschaftspolitische Management effizienter zu gestalten.
Herausragendes Thema ist dabei die Einhaltung des mit dem IWF vereinbarten Programms zur Schuldentilgung, welches strenge Regularien insbesondere für die Wirtschaftspolitik vorgibt. Die Umsetzung dieses Programms wird jedoch dadurch erschwert, dass es innerhalb der Regierung stark kontroverse Standpunkte gibt und ein Teil der Regierung bisher offen gegen das Abkommen agierte.
Insgesamt leidet die Regierung unter einer akuten Popularitätskrise in der Bevölkerung, deren bisher schärfster Ausdruck das oben erwähnte Attentat auf das Leben der Vizepräsidentin ist. Dazu trägt die anhaltende wirtschaftliche Unsicherheit bei, die sich vor allem durch die scheinbar unaufhaltsam steigende Inflation auf die Bevölkerung und deren Lebenshaltungskosten auswirkt. Auf der anderen Seite beschränken die strikten Kontrollen des Devisenmarktes, die zum Schutz der schwindenden Reserven eingeführt und in den vergangenen zwei Jahren immer wieder verschärft wurden, die Bezahlung von Importen, die die lokale Wirtschaftstätigkeit ankurbeln könnten.
Trotz allem gibt es jedoch auch eine Reihe von Potenzialbranchen in denen Argentinien sich als strategischer Partner profiliert. Dazu gehört vor allem der Bereich der erneuerbaren Energien. Die Produktion von grünem Wasserstoff, die derzeit überall im Gespräch ist, könnte ein völlig neues Geschäftsfeld im Export eröffnen. Argentinien ist außerdem Lieferant gefragter Produkte wie Lithium, als Rohstoff für die Elektromobilität, sowie Nahrungsmittel und Energie (insbesondere Schieferöl und -gas), die durch Russlands Krieg gegen die Ukraine knapp werden und deren Preise sich bereits enorm erhöhen. Hier kann das Land bestehende Produktionsketten ausbauen und neue erschließen, vorausgesetzt es wird die dafür notwendige Infrastruktur geschaffen und die Modernisierung der lokalen Industrie kommt voran.
Vor diesem Hintergrund war Argentinien in den letzten Monaten das Ziel mehrerer diplomatischer und wirtschaftlicher Besuche aus Deutschland, die besonderen Fokus auf Kooperation in den Bereichen Energie und Rohstoffe legten. Zuerst besuchte die Parlamentarische Staatssekretärin Brantner im Juli mit hochrangiger Begleitung aus dem Ministerium für Wirtschaft und Klimawandel Argentinien. Einen Monat später erneuerte Hamburgs Erster Bürgermeister Tschentscher in Begleitung einer Unternehmerdelegation mit zahlreichen Vertretern aus dem Energie-, Mobilitäts- und Logistiksektor das Kooperationsabkommen mit der Stadt Buenos Aires.
In der gleichen Woche wurde auch der Staatssekretär des deutschen Auswärtigen Amtes, Tobias Lindner, in Argentinien empfangen. Die AHK Argentinien trug durch die Organisation von Diskussions- und Networkveranstaltungen mit Vertretern der deutschen Wirtschaft im Land und anderen wichtigen Marktteilnehmern zum Erfolg dieser Besuche bei.
In diesem Rahmen betonte beispielsweise Javier Pastorino, Geschäftsführer von Siemens Energy Argentinien, Chile und Uruguay: "Argentinien hat aufgrund seiner klimatischen Bedingungen das Potenzial, doppelt so viel erneuerbare Energie zu produzieren wie andere Standorte. Wir müssen das Bewusstsein für das Speicherpotenzial von grünem Wasserstoff weiter schärfen, denn er bietet die große Chance, den künftigen Bedarf an sauberer Energie zu decken."
Mario Iacona, Managing Director South Cone Nordex, fügte hinzu: "Das Exportpotenzial von grünem Wasserstoff muss als Geschäftsmöglichkeit unabhängig von der internen Energienachfrage in Argentinien betrachtet werden.“ Er sprach sich weiterhin für die zügige Schaffung eines klaren Rechtsrahmens aus, der die Entwicklungszeiten des Sektors erheblich verkürzen würde.
Insgesamt kamen alle drei Begegnungen zwischen Geschäftsleuten und Diplomaten aus beiden Ländern zum gleichen Ergebnis: Argentinien verfügt über die natürlichen und Humanressourcen, um Deutschlands idealer Partner bei der Energiewende zu sein. Weitere Anstrengungen sind notwendig, um die entsprechenden Allianzen für die Umsetzung der laufenden Projekte sowie neue Kooperationsmöglichkeiten zu schaffen. Bereits jetzt sind mehrere argentinische Provinzen an der Ausarbeitung eines integralen nationalen Plans beteiligt, der Anreize für Investitionen in Wasserstoff-, Lithium- und Erneuerbare-Energieprojekte sowie Infrastruktur für den Energietransport und vieles mehr vorsieht.
Die AHK Argentinien begleitet deutsche Unternehmen, die an einer solchen Kooperation interessiert sind. Wir stellen Informationen zur Verfügung und Kontakte zu argentinischen Partnern her. Wir freuen uns auf Ihre Anfrage!
Kontakt: Julieta Barra / jbarra(at)ahkargentina.com.ar