Zahlreiche deutsche Unternehmen haben Tochtergesellschaften in Argentinien. Diese sind auf lokale Zulieferer für ihre Produktion und den Export angewiesen. Welche Industriezweige müssen sich am stärksten anpassen und welche Folgen kann das Gesetz für die Produktionsketten haben, an denen Argentinien beteiligt ist?
Dieser Artikel wurde in Kooperation mit der Kanzlei Beccar Varela und dem Lateinamerikaverein (LAV) verfasst.
Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern sollen bereits ab dem nächsten Jahr für die Aufdeckung und Beseitigung von Menschenrechts- und Umweltverstößen verantwortlich sein, Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern ab dem Jahr 2024. In Anbetracht dieses Zeitrahmens ist es notwendig, so schnell wie möglich mit der Entwicklung von Strategien zu beginnen, die es deutschen Unternehmen mit Niederlassungen und Lieferanten in Argentinien ermöglichen, Verstöße gegen das Gesetz über die Sorgfaltspflicht in Lieferketten (LkSG) zu vermeiden.
Eine allgemein gehaltene globale Analyse menschenrechtlicher Risiken bestimmter Branchen und Regionen wurde im Forschungsbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales „Die Achtung von Menschenrechten entlang globaler Wertschöpfungsketten / Risiken und Chancen für Branchen der deutschen Wirtschaft“ veröffentlicht. Dem Bericht zufolge bestehen Risiken von Menschenrechtsverletzungen in Argentinien und in ganz Lateinamerika, vor allem im Zusammenhang mit dem Gewinn von Rohstoffen im Bergbau und in der Landwirtschaft. Als Beispiele werden Kinderarbeit, Gewalt gegen ethnische Minderheiten und Gesundheitsrisiken genannt. Diese Risiken ergeben sich in den genannten Branchen meist aus ungeklärten Eigentumsverhältnissen, Rodungen sowie der Produktion von Agrarrohstoffen.
Es ist wichtig, dass das Gesetz nicht zu einem Hindernis für den Geschäftsverkehr zwischen Lateinamerika und Deutschland wird. Die Ergebnisse des AHK World Business Outlook - Sonderauswertung Nachhaltigkeit – vom Herbst 2021 zeigen, dass nur 25% der deutschen Unternehmen, die in der Region Süd- und Mittelamerika tätig sind, sich bereits darauf vorbereiten, die Anforderungen des Gesetzes zu erfüllen. Im Vergleich zu anderen Regionen stellt dies weltweit den niedrigsten Prozentsatz dar. Die Herausforderung ist enorm: Unternehmen im Ausland, die als unmittelbare Zulieferer der deutschen Industrie fungieren und die oft Mitglieder der AHKs sind, müssen künftig nicht nur in ihrem eigenen Betrieb hohe Menschenrechts- und Umweltstandards erfüllen und nachweisen, sie müssen auch ein Auge auf ihre direkten Lieferanten und deren Zulieferer haben, die oft nicht einmal in demselben Land oder Kontinent ansässig sind wie sie selbst.
Quelle: Sonderauswertung zum Thema Nachhaltigkeit des World Business Outlook Herbst 2021
Zurzeit gibt es großen Gesprächsbedarf, da dieses Gesetz für alle Akteure neu ist und vor der Umsetzung aber auch der Auslegung steht. Es werden positive Auswirkungen nach dessen Inkrafttreten erwartet, z.B. eine höhere Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, weil die Konsumenten diese nachhaltigen Aspekte einfordern und auch immer mehr auf deren Nachweisbarkeit achten werden. Aber auch die kritischeren Aspekte des Gesetzes müssen berücksichtigt werden, vor allem die entstehenden Zusatzkosten und den Bürokratieaufwand, die eine adäquate Lieferantenqualifizierung, Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen, Schulungsprogramme und Berichtsstrukturen etc. mit sich bringen. Dies könnte wiederum zu einer Benachteiligung im globalen Wettbewerb führen.
Der mit dem Gesetz angestrebte Erfolg (das Eintreten für eine humanere und nachhaltigere internationale Wirtschaft) wird durch die Definition von Maßnahmen und Strategien für die Anwendung der Sorgfaltspflicht erreicht, darunter Menschenrechtsstrategien, Beschaffungsstrategien, Schulungen, die Auswahl der Zulieferer und Kontrollmechanismen.
Die Kanzlei Beccar Varela, Mitglied der AHK Argentinien und des GermanDesk, betont die Wichtigkeit der Durchführung von Risikoanalysen, die zentraler Bestandteil der vom Gesetz vorgesehenen Risikomanagement-Systeme sind. In jedem Fall sollten deutsche Unternehmen mit Niederlassung oder Lieferanten in Argentinien Risikoanalysen hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte durchführen oder von Experten durchführen lassen. Alternativ können bereits bestehende Risikoanalysen, (beispielsweise zu Compliance- bzw. Korruptionsrisiken) um diese nun rechtsverbindliche Thematik ergänzt werden.
Eine hervorragende Initiative des LAV zusammen mit der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE) ist die Organisation einer Reihe von Seminaren über die Verordnung und ihre erwarteten positiven, aber auch kritischen Folgen für Unternehmen in Lateinamerika. Während der Veranstaltungen tauschten sich Geschäftsleute, Rechtsexperten und Vertreter aus verschiedenen Ländern über die möglichen Auswirkungen, die Art der am meisten betroffenen Unternehmen, aber auch über das Risikoanalysesystem aus. Die Seminarreihe wird im März mit dem Schwerpunkt Beschwerdeverfahren fortgesetzt (siehe Veranstaltungsagenda).
Gemeinsam mit ihren Mitgliedskanzleien wird die AHK Argentinien außerdem im Mai ein Webinar zu diesem Thema veranstalten. Darin werden die notwendigen Schritte erörtert, die die Umsetzung des LkSG für deutsche Unternehmen mit Geschäftstätigkeit in Argentinien oder argentinische Unternehmen, die deutsche Lieferketten beliefern, erleichtern.
Kontakt: Julieta Barra | jbarra(at)ahkargentina.com.ar