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COVID als Beschleuniger für Kulturwandel am Arbeitsplatz: Wie arbeitet Argentinien post COVID?

21.12.2020

Nach fast neun Monaten einer der strengsten Lockdowns weltweit lockert Argentinien nun nach und nach die COVID-bedingten Einschränkungen für seine Bevölkerung. Zwar sind die Infektionszahlen weiterhin relativ hoch, aber die steigenden Temperaturen des Frühlings auf der südlichen Hemisphäre „ziehen“ die Menschen nach so vielen Monaten regelrecht auf die Straße. Viele der Aktivitäten aus der Zeit vor Corona sind nun wieder möglich: Der Ausflug in den Park, eine Auszeit an der Atlantikküste in der anstehenden Sommerpause, Abendessen in einem der zahlreichen Restaurants in Buenos Aires – und sie werden von den Argentiniern mit Begeisterung und unter weitgehender Einhaltung der Hygieneregeln angenommen. 

Und wie sieht es mit der Rückkehr ins Büro aus? Gehen die Argentinier nach den vielen Monaten im Home-Office nun wieder zurück in die Büros, als sei nichts passiert? 

Wie überall auf der Welt, haben auch in Argentinien die durch die Pandemie notwendig gewordenen Maßnahmen der sozialen Isolierung gezeigt, dass in zahlreichen Branchen das Arbeiten auf Distanz, weitgehend unabhängig von einem bestimmten Standort Vorteile bietet. Was im pre-Corona-Kontext für viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber noch unmöglich erschien, hat sich innerhalb kürzester Zeit nicht nur als „machbar“ erwiesen, sondern ist binnen des Jahres 2020 zur „neuen Normalität“ geworden. 

Die bereits seit Jahren bestehende Tendenz, dass Arbeitnehmer verstärkt den Wunsch nach mehr Flexibilität und individuellen Arbeitsplatz- Lösungen äußern, hat durch das Corona- Virus nicht nur eine exponentielle Beschleunigung erlebt. Das Arbeiten auf Distanz, die Digitalisierung interner Prozesse sowie gesamter Geschäftsmodelle wurde von einem Tag auf den anderen ebenso zur existentiellen Notwenigkeit für Menschen auf allen Kontinenten, wie die ausschließlich virtuelle Kommunikation. Experten sind der Meinung, dass sich viele der im COVID-Kontext eingeführten Telearbeitsmodelle und digitalen Kommunikations- und Kooperationsformen als Bestandteil des „new normal“ etablieren werden. 

Telearbeit bedeutet auch, dass die Mitarbeiter in Absprache mit ihren Vorgesetzten Arbeitsmodelle wählen, die eine Optimierung ihrer Produktivität ermöglichen: Die Zukunft gehört nach Expertenmeinung den sogenannten „Hybriden Arbeitsmodellen“, also einer Mischung aus Home-Office und Arbeitsplatz im Unternehmen. Für letztere beutet dies neue Herausforderungen hinsichtlich der Arbeitsumgebungen: Coworking-Spaces, Kreativ- und Kollaborationsbereiche und designierte Ruheräume in Großraumbüros. In diesem Zusammenhang rückt auch das sogenannte „Hotelling“ immer mehr ins Interesse der Unternehmen. In diesem Bürokonzept arbeiten Mitarbeiter nicht mehr an festen Arbeitsorten, sondern buchen flexibel den Arbeitsplatz, der den Anforderungen an die zu verrichtende Tätigkeit gerecht wird. 

Diese Entwicklung entspricht einem signifikanten Wandel der Arbeitskultur: Während einige Unternehmen in Argentinien bereits vor Ausbruch der Pandemie über die nötige technologische Ausstattung verfügten und innovative Arbeitsmodelle implementiert hatten, so fehlte den meisten Firmen im Land noch die „kulturelle Komponente“ dieses Prozesses: Rund 80% der Unternehmen in Argentinien funktionierten vor der Pandemie ausschließlich durch am Arbeitsplatz von Montag bis Freitag anwesende Mitarbeiter. COVID-19 hat diesen Veränderungsprozess in den Unternehmen beschleunigt.

Der kulturelle Wandel manifestiert sich unter anderem im Übergang von der Arbeitszeitkontrolle hin zum Ziel- bzw. Ergebnisorientierten Arbeiten. Fabio Boggini, Direktor der argentinischen Unternehmensberatung Jobing, sagte hierzu in einer Onlineveranstaltung der AHK Argentinien: „Die wahre Unternehmenskultur geht über die Büros der Unternehmen hinaus und zeigt sich erst, wenn wir nicht mehr physisch in den Büros sind.“

Siemens Argentinien greift dieses Konzept auf und wird in diesem Sinne die Telearbeit als einen Eckpfeiler der "Neuen Arbeits-Normalität" etablieren. "Die Coronakrise hat zu einem neuen Sprung im Digitalisierungsprozess geführt. Wir hatten bei Siemens schon immer Telearbeitsmodalitäten, aber jetzt gehen wir noch einen Schritt weiter. Die Grundlage dieses zukunftsweisenden Arbeitsmodells ist es, die Entwicklung unserer Unternehmenskultur voranzutreiben. Diese Veränderungen sind auch mit einem anderen Führungsstil verbunden, der mehr auf die Ergebnisse als auf die im Büro verbrachte Zeit ausgerichtet ist“, sagte Roland Busch, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender und Mitglied des Vorstands der Siemens AG.

Der globale Paradigmenwechsel ist in Gang gesetzt und wir alle haben uns in kurzer Zeit den neuen Anforderungen angepasst. Die kommende Zeit wird zeigen, ob und inwieweit wir in der Lage sind, diese Innovationen nicht nur zur Aufrechterhaltung unserer Leistungsfähigkeit, sondern auch langfristig zur Optimierung aller anderen Anforderungen an ein ausgewogenes und gesundes Leben zu gestalten – in Argentinien ebenso wie an jedem anderen Standort auf der Welt.